Auch ich ärgere mich zuweilen. So stark, dass ich den Ärger zu Papier bringen muss. Auf dieser Seite sollen bewusste "Bösartigkeiten" publiziert werden - Texte, die sonst nirgends Platz finden.
Und weil in der Basellandschaftlichen Zeitung einst ein Leserbrief zu einem Artikel von mir mit "Böse, böser, Bösiger" überschrieben war, heisst diese Rubrik nun so.
Ans Maskentragen haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Oder etwa doch nicht? Jedenfalls existiert eine reichhaltige Palette an Masken, Farben und Stilen. Fast ebenso schillernd sind die Trägerinnen und Träger und deren Umgang damit. Eine kleine Typologie, der Einfachheit halber und zur Vermeidung des Gender-* sei die männliche Form verwendet. In der Regel aber gelten die Feststellungen aber auch für Menschen weiblicher, wechselnder und non-binärer Orientierung.
Der Nur-Mundbedecker. Achtet peinlich genau darauf, dass sein Näschen immer sichtbar ist, weil voll angesagt. Lässt sich zuweilen dazu hinreissen, den Schutz nach oben zu ziehen, worauf er umgehend wieder sausengelassen wird.
Der Hänger. Ziemlich obercool ist es, seine Gesichtsmaske locker an einem Ohr baumeln zu lassen. So lässt sich schliesslich besser an der Dose nippen oder rauchen. Ob das Ding später noch immer hängt oder irgendwo in der Gegend herumliegt, ist für den Träger irrelevant.
Der Kinnträger. Die Maske wird zum vermeintlich trendigen Fashion-Accessoire wie weiland die Krawatte, die Fliege oder das Foulard.
Der Immer-Maskenträger. Zeitgenosse hypervorsichtiger Art, auch draussen im Wald und auf dem Feld.
Der FFP2-Träger ist eine Untergattung des Immer-Maskenträgers. Für diese Menschen kommt grundsätzlich nur ein Modell in Frage, das keine Fragen bezüglich Wirksamkeit offenlässt. Er zeigt gerne öffentlich „Seht her, ich bin der Gute!“: Oft realisiert dieser Mensch erst beim Zähneputzen vor dem Zubettgehen, dass er das Ding noch immer trägt.
Der Instantträger. Nimmt seine Maske, wenn er sie überhaupt dabei hat, nur rasch hervor, um im Avec Zigaretten zu kaufen oder einen Energy-Drink. Dann aber nix wie raus und die Maske wieder vom Gesicht gezerrt…
Der Influencer. Hauptsache die Gesichtsmasken sind besonders ausgefallen und auf den Social Media vorzeigbar. Es gibt eine schier unendliche Auswahl von Tiger Lilly über Rambo bis Paisley und selbstverständlich in allen Farbtönen – bei weiblichen Exponentinnen meist farblich assortiert zum Nagellack.
Der Werbeträger. Matchentscheidend ist weniger die Qualität der Gesichtsmaske denn die perfekte Platzierung des Label oder Logo.
Der Handgestrickte. Zwar nicht handgestrickt, aber handgeschneidert und genäht sollte die Maske schon sein, möglichst nachhaltiger Bio-Provenienz. Da angesichts von Home Office und Quarantäne viel Zeit da ist, kommt es ja gerade recht, die Nähmaschine aus dem Keller zu holen. Und: die bunten Stofffetzen eignen sich hervorragend als kleine Mitbringsel für die Zeit nach dem Lock down.
Der Nichtträger. Schaut saufrech und hostentativ-provokativ in die Runde, wenn er im ÖV mit kritischen Blicken gewürdigt wird. Sollen die anderen doch…
Der Revolutionär. Das Tragen einer würdelosen Gesichtsmaske gehört zum Establishment und ist vom Staat vorgeschrieben. Weil du dir deine Rest-Renitenz nicht nehmen lassen willst, weichst du deshalb auf Bandanas und Palästinensertücher Typ Jassir Arafat aus. Gelegentlich finden sich auch Corona Leugner und Verschwörungstheoretiker unter dieser Art.
Der Klandestine. Träger vorwiegend jugendlicher Herkunft. Wichtig beim Tragen ist a) dass das Cap oder die Kappe tief ins Gesicht gezogen ist, b) dass die fetten Headphones die Ohren bedecken und c) dass die Gesichtsmaske bis unter die Augen reicht. Diese aber – die Augen – müssen zwingend frei sein, denn schliesslich soll der Blick aufs Handydisplay zu keinem Moment beeinträchtigt sein.
Nachbemerkung: Davon ausgenommen sind explizit jene Menschen, die ernsthaft krank sind und deshalb eine Hygienemaske tragen müssen.
Die wichtigsten Nachrichten finden wir zuverlässig in „20minuten“. Hier eine kleine Trouvaillen-Auswahl der letzten Tage:
Billie Eilish hat ein Tattoo – wir werden es nie sehen
Ja toll! Wieso auch nicht? Eben. Aber wer ist das schon wieder?
Mike soll Elena betrogen haben
Soso! Soll in den besten Familien schon mal vorkommen. Müssten wir uns nun Sorgen machen?
Trans-, Queer- und nicht binäre Menschen sind ein Geschenk
Wow! Was für ein Titel! Bleibt höchstens die Frage: Ein Geschenk für wen? Und wo bleibt das „Gender-Sternchen“?
Neue Smartmask verstärkt die Stimme und beherrscht 8 Sprachen
Geil! Sensationell! Da macht das Maskentragen doch gleich noch mehr Spass…
Wir alle erhalten zuweilen Sammelmails mit dieser Anrede: «Liebe Alle». Gut, Sammelmails mögen durchaus sinnvoll sein. Aber nicht, wenn sie mit dieser Anrede bei uns in die Mailbox flattern.
Ich behaupte: Der- oder diejenige, der / die ein Mail mit der Anrede «Liebe Alle» losschickt, macht dies in der Hoffnung, jemand möge sich angesprochen fühlen und sich im Idealfall um die darin gestellte Aufgabe kümmern – zum Beispiel antworten, aufräumen oder anrufen.
Ich behaupte weiter: Genau das geschieht nicht. Denn alle «Lieben Alle» fühlen sich eben gerade nicht angesprochen. Zumindest bei mir ist es ganz einfach: Wer mich nicht mit Namen anschreibt oder zumindest so, dass ich mich angesprochen und wertgeschätzt fühle, der oder die kann lange warten auf eine Antwort oder darauf, das zu tun, was im Mail von mir verlangt wird. Denn: Nein, ich möchte als Teil eines gesichts- und namenlosen «Liebe Alle»-Kollektivs nicht helfen beim Zügeln, das Protokoll schreiben oder was auch immer tun. Und weil das – wieder eine Behauptung von mir – mutmasslich auch die anderen Angeschriebenen so sehen, wird es niemand sein, der sich bemüssigt fühlt zu reagieren.
Übrigens, noch ein Zweitletztes: Wenn schon, dann würde man «Alle» grammatikalisch korrekt klein schreiben, wie jedes andere Indefinitpronomen. «Liebe alle» also. Nur: wenn auch nun gemäss Duden korrekt, bleibt die Anrede unpersönlich und unhöflich.
Und ein Letztes: Es muss nicht immer das förmliche «Sehr geehrte…» sein. Auch ein Hallo könnte reichen, wenn es denn mal schnell gehen muss. Oder einfach ein «Liebe» gefolgt von den Gleichgesinnten. Zum Beispiel: Liebe Kommissionsmitglieder. Oder Liebe Freundinnen und Freunde.
Na also, geht doch!
Das kleine Wort jetzt ist bei TV-Spots anscheinend systemrelevant. Kaum eine TV-Werbung kommt ohne diese Aufforderung aus.
«Jetzt bestellen». Sagt die Stimme und betont diesen Satz im Befehlston.
«Jetzt wechseln». Will mir eine Versicherung weismachen. Fehlt nur noch der Zusatz «Aber subito!».
«Jetzt sparen». Werde ich von einem deutschen Grossverteiler aufgefordert. Das Ausrufezeichen ist auch hier unüberhörbar.
«Jetzt neu». So so, denke ich.
«Jetzt mit Videodates». Damit will mich eine einschlägige Partnervermittlungsagentur in diesen Corona-Zeiten verführen.
«Jetzt testen». Fordert mich ein Rasiermaschinenhersteller ultimativ auf und erinnert mich daran, dass ich mich seit drei Tagen rasieren sollte.
«Jetzt gratis testen». Fordert mich ein Hersteller von Damenbinden dringend auf. Wieso sollte ich?
«Jetzt - nur noch einen Finger rühren». Mit einem Fingerwisch möchte einem eine Firma Getränke nach Hause liefern.
Gute Idee! Denke ich. Und rühre meinen Finger.
Jetzt … ist sie aus - die Flimmerkiste.